Kurzgeschichte: Privatparty

veröffentlicht: 1.12.19

Jubelschreie holten mich aus der Tiefe des Buches in die flache Realität meiner Wohnung. Für das übliche Fußballgegröle der Nachbarn klang die Freude zu nah, als käme sie aus meinem Flur. „Hallo?“, rief ich. Während mein Geist noch überlegte, reagierte mein Körper bereits und war auf dem Weg zur Glastür.

Im Eingangsbereich meiner Wohnung standen fünf Fremde.

„Was machen Sie da? Kann ich Ihnen helfen?“

Der Taumel verschluckte meine Fragen, Hände klopften auf Schultern, ein Sektkorken schoss an die Decke. Eine kleine, zierliche Frau drängte sich an den anderen vorbei und hielt mir ein durchsichtiges, mit Wasser gefülltes Obstsackerl vors Gesicht. Etwas Oranges schwamm darin. „Wo ist denn die Badewanne? Signor Rosso braucht Wasser.“

„Ich habe nur eine Dusche“, antwortete ich automatisch.

„Leute, wir müssen weiter. Hier gibt’s keine Badewanne“, wandte sie sich an die Gruppe. „Ich hab von Anfang an gesagt, dass Signor Rosso dringend ins Wasser muss und ich nicht-“

„Park ihn halt einstweilen im Klo“, sagte einer der Männer, woraufhin die Frau mit dem Goldfisch die nächste Tür aufriss, hinter der sich die Abstellkammer befand. Sie warf sie wieder zu, öffnete die nächste und-

„Wer sind Sie? Was wollen Sie in meiner Wohnung?“

„Also die Sache war die“, sagte ein großer Mann mit schafblonden Strubbelhaaren und Dreitagebart. „Tobi hier hat online ein Video gesehen in dem gesagt wurde, dass in Wien in Gemeindebauten der 50er ein spezielles Zylinderschloss verbaut wurde, die alle mit einem Generalschlüssel zu öffnen sind. Wenn man den Schlüsseldienst ruft, schließen die einfach die Tür auf und verlangen dafür 200 Euro. Krass, oder? Dabei kann sich den Schlüssel jeder ganz leicht online checken.“

„Signor Rosso ist jetzt im Klo!“, brüllte die Goldfischfrau und trat wieder zurück in den Flur. „Wenn ihr brunzen müsst, haltet es gefälligst zurück oder nehmt das Waschbecken!“

„Macht jemand ein Foto von mir? Und gebt den anderen Bescheid!“ Der Schlüsselmann posierte samt Sektflasche vor der Eingangstür und hielt dabei den Schlüssel wie eine gewonnene Medaille.

„Ich hab das Video schon in die Gruppe gepostet. Der Schnee-Henry schaut nur an Sprung vorbei, aber er kommt,“ sagte eine Frau mit der monotonen Stimme einer Nachrichtensprecherin, ohne vom Display ihres Handys aufzuschauen. Ihre schwarzen Stirnfransen baumelten ihr wie ein schwerer Vorhang vor den Augen und ich bezweifelte, dass sie horizontal überhaupt etwas sah. „Ein paar Leute fragen, was sie mitbringen sollen.“

„Privatpartys sind die besten. Findest du nicht auch?“, fragte die Goldfischfrau und hüpfte an mir vorbei ins Wohnzimmer.

„Geh bitte, sind Sie nicht zu alt für so einen Blödsinn? Das ist meine Wohnung! Gehen Sie bitte einfach wieder.“ Ich schätzte sie ungefähr auf mein Alter, also Anfang 30.

„Fühlst du dich zu alt?“, fragte der Wikinger den dritten Mann, den ich bislang nicht zur Kenntnis genommen hatte. Er sah aus wie eine ägyptische Statue. Weiße Strähnen durchzogen seine dunklen, welligen Haare, die er am Hinterkopf zusammengebunden trug. Mehrere Zopfgummis formten aus seinem langen Kinnbart eine Wurst, die das Pharaonenartige zusätzlich betonte. Der einstige Jüngling war noch klar erkennbar, aber die Jahre hatten zahlreiche Risse und Abnutzungserscheinungen hinterlassen.

Die ägyptische Statue antwortete mit einem Lachen und ging den Flur weiter in die Küche.

Der Schlüsselmann folgte ihm und sagte zur Nachrichtensprecherin: „Wir brauchen auf jeden Fall mehr Drinks!“ Die Geruchswolke, die ihn umgab, legte sich als pelziger Film auf meine Zunge und schmeckte nach Douglas kurz vor Ladenschluss.

Ich ging zurück ins Wohnzimmer, um mein Telefon zu holen. Ich musste die Schockstarre endlich überwinden und aktiv werden! Als ich mein Handy ergriff, tippte mir der Wikinger auf die Schulter und streckte mir seine leere Handfläche entgegen. Es lag wenig Bedrohliches in dieser Geste. Er sah mich mit zwei freundlichen Augen aus diesem überdimensionierten Körper an, der mehr Kraft besaß als uns beiden lieb war.

„Wir wollen nur ‘n bisschen feiern, dass das mit dem Schlüssel echt geklappt hat. Dann hauen wir ab.“

Ich legte das Handy zurück aufs Sofa, woraufhin er es in seine Hosentasche steckte. „Sicherheitshalber, wir wollen keinen Ärger.“

„Oarge Sammlung. Oldschool, aber a paar coole Sachen dabei. Bisschen düster vielleicht.“ Die Goldfischfrau fuhr mit ihrem Zeigefinger über die CDs in den Regalen, pausierte in unregelmäßigen Abständen und nahm einzelne raus, die sie auf dem Boden stapelte.

„Bitte nicht die CDs. Die sind von meinem Mann.“
„Sag ihm er hat einen oargen Geschmack, aber-“

„Er ist tot! Seit fast einem Jahr.“

„Uh, kein Wunder, dass es hier totenstill ist. Ka Stress, ich ändere das gleich.“

Tränen formten sich in meinen Augen und ich flüchtete in die Küche. Im Gang stand nach wie vor die Nachrichtensprecherin an derselben Stelle und spielte Daumenwrestling mit ihrem Handy. In der Küche balancierte der Schlüsselmann mit seinen dreckigen Schuhen auf einem Küchenstuhl und reichte der ägyptischen Statue meinen Alkoholvorrat vom Kühlschrank runter. Im Mundwinkel der Statue hing eine angezündete Zigarette. Ich hoffte, dass sie ihm den Bart abfackeln würde.

„Kann Rum ablaufen? Sieht aus als wären die Flasche schon länger offen“, sagte der Schlüsselmann.

„Hier ist Rauchverbot“, sagte ich.

„Wenn wir fertig sind, mach ich ein Fenster auf“, sagte die ägyptische Statue.

„Wir brauchen was zum Mixen“, rief der Schlüsselmann zur Nachrichtensprecherin rüber. „Sag ihnen harter Alkohol ist genug da, aber es fehlen Säfte und vielleicht Schlagobers. Und Bier und Wein habe ich auch keinen gefunden. Oder hast du noch einen anderen Vorrat?“, fragte er mich.

„Ich trinke nicht!“

„Auf jeden Fall auch a paar Bier und Wein“, rief er zur Nachrichtensprecherin.

Die Türklingel schrillte und aus dem Wohnzimmer dröhnten lautes Schlagzeug und verzerrte Gitarren. Darüber sang Paul Banks „If you really love nothing“ und komplettierte somit den Sound von Interpol.

“Nicht so laut!” Ich lief wieder rüber ins Wohnzimmer, wo die Goldfischfrau direkt vor der Anlage auf meiner zusammengerollten Yogamatte hockte, über der sie gedankenverloren ihre Zigarette abklopfte, während sie zur Musik mitwippte.

„Die hat 150 Euro gekostet!“ Ich versuchte ihr die Matte unter dem Hintern wegzuziehen, aber der Wikinger beendete meine Bemühungen, indem er seine Pranke auf mein Brustbein legte und mich wegschob.

Meine Tränen begannen hemmungslos zu fließen. Innerhalb kürzester Zeit verwandelten sie mein heiliges Privatrefugium in einen feindseligen Ort!

„Where is Jesus in Punk?”, schrie eine Frauenstimme im Flur, was mit Brüllen im Stil von Brunftgeschrei von Schweinen, beantwortet wurde. Mehr Leute!

Ich verharrte auf dem Wohnzimmerboden und hoffte, dass alles schnell vorübergehen würde. Die laute Musik vermischte sich mit dem Lärm der Eindringlinge und betäubte als Soundlawine meine Ohren. Unter den Zigarettengestank legte sich bald der Geruch von gekochten Nudeln, die offenbar jemand in meiner Küche zubereitete. Ich ignorierte sämtliche Fragen ebenso, wie die Menschen, die mich anstießen und über mich stolperten. Offenbar wussten sie nicht, dass sie sich in meiner Wohnung befanden – oder es war ihnen schlichtweg egal.

Durch den Rauch sah ich, wie einige auf meinem Couchtisch weißes Pulver in feine Linien zerteilten, die erst in einem Geldschein und dann in Nasenlöchern verschwanden. Ich schloss meine gereizten Augen, wollte alles ungesehen machen. Ich taumelte aufs Klo, wo ich für ein paar Momente die relative Stille genoss. Es schien, als würde die Musik tatsächlich leiser werden. Im Anschluss überraschte ich im Bad einen Mann mit runtergelassener Hose, der in die Dusche pinkelte. Im Flur stand die Wohnungstür offen und zwei Polizisten davor.

Polizisten! Meine Rettung! Nie zuvor war ich so froh zwei Uniformierte außerhalb eines Pornos zu sehen.

„Sie müssen mir helfen!“

„Susi, da bist du ja!“, sagte ein glatzköpfiger junger Mann zu mir, den ich zum ersten Mal in meinem Leben traf. Er legte freundschaftlich seinen Arm um mich. „Das ist unsere liebe Susi, von der wir Ihnen gerade erzählt haben.“

„Es ist wirklich nett, was Ihre Freunde hier für Sie veranstalten. Unsere aufrichtige Anteilnahme. Es muss schwer sein den Ehemann zu verlieren“, sagte einer der Polizisten.

„Was? Nein! Also ja, aber das sind nicht meine Freunde. Ich kenne diese Menschen nicht.“

„Mischung aus Schock und bisschen zu viel Wodka“, sagte die Nachrichtensprecherin ohne von ihrem Handy aufzusehen.

„Fünf Jahre waren Susi und Max zusammen. Fünf Jahre und das so jung. Der Unfall war wirklich tragisch. Für uns alle!“, sagte der Glatzköpfige.

Die Polizisten nickten mitfühlend.

„Es waren acht Jahre, davon fünf verheiratet!“ Ich versuchte mich aus dem Griff des Fremden zu winden. „Und meine Freunde nennen mich nicht Susi, sondern Sanna!“

„Es hat sie wirklich schwer getroffen, kurz hat sie sogar selbst überlegt ihr Leben zu beenden. Die Tabletten hat sie sich sogar schon besorgt. Natürlich haben wir sofort eingegriffen.“

„Woher-?“ Ich stockte. „Sie müssen mein Tagebuch gelesen haben. Mein Tagebuch und Trauerbuch liegen im Schlafzimmer“, sagte ich mehr zu mir. „Sie verstehen das falsch, Officer. Sagt man überhaupt Officer in Österreich? In Filmen sagen die das immer so. Hören Sie, ich kenne diese Leute nicht, sie sind hier eingebrochen und feiern jetzt eine Party! Gegen meinen Willen!“

Der Glatzköpfige lachte und zum ersten Mal zeigte sich Skepsis im Gesicht der Beamten.

„Sollte es dann nicht Einbruchspuren geben?“, fragte die Nachrichtensprecherin.

Halbherzig begutachteten die Polizisten das Schloss an der Tür und im Türrahmen. Das Rauschen des Funkgeräts übertönte meine Erklärung, in der ich auf den Schlüssel verwies.

„Keine Sorge, wir lassen dich nicht allein. Du kannst uns nicht mit Lügen verjagen. Wir passen aufeinander auf, gerade in schwierigen Zeiten“, sagte der Glatzköpfige zu mir, während die Polizisten weiter dem Funkspruch lauschten.

„Also gut, sie lassen die Musik in der jetzigen Lautstärke, damit die ältere Dame unter Ihnen in Ruhe schlafen kann und uns nicht wieder wegen Ruhestörung ruft. Und Ihre Freundin lassen Sie auch nicht aus den Augen. Vielleicht geben Sie ihr ein bisschen Wasser oder gehen kurz an die frische Luft. Sollten Sie Probleme haben, melden Sie sich einfach wieder bei uns oder bei unseren Kollegen vom Sozialpsychiatrischen Notdienst.“

„Machen wir, vielen Dank die Herrn Inspektor. Komm Susi, ich mach dir ein Glas Wasser.“

„Aber-“

„Wiederschauen.“ Die Nachrichtensprecherin schloss die Tür, was sich anfühlte als nagelte sie meinen Sargdeckel zu.

„Lass mich in Ruhe!“, stieß ich endlich den Glatzköpfigen von mir und stürmte ins Schlafzimmer, um meine Tagebücher in Sicherheit zu bringen. Ich kam jedoch gar nicht bis zum Nachtisch, denn auf meinem Bett wanden sich die ägyptische Statue und eine Frau. Ihre nackte Haut zierte ein glänzender Schweißfilm und zwischen den gespreizten Oberschenkeln der Frau bewegte er einen rosa Vibrator vor und zurück. Reflexartig drehte ich wieder um. Es dauerte zwei Wimpernschläge, bis ich realisierte, dass es sich um meinen Vibrator handelte.

Ein spitzer Schrei ertönte und ich zuckte zusammen. Er drückte aus, was ich seit Stunden fühlte.

„Wo ist Signor Rosso?”, kreischte die Goldfischfrau. „Wer hat Signor Rosso runtergespült? Ich bring denjenigen um! Wer war das? Ihr Monster! Wer von euch hat Signor Rosso umgebracht?“ Verwirrt wie eine Laserpointer jagende Katze irrte sie durch die Wohnung und stellte nacheinander einige zur Rede.

Ein Lachen kroch aus meinem Magen in die Kehle, wo es auf Erschöpfung traf und sich in ein Heulen verwandelte. Meine Tränensäcke explodierten förmlich und schossen senkrecht Wasserstrahlen hervor. Rotz und Speichel blieben in meinem Hals stecken, ich schnappte nach Luft und glaubte zu ersticken. Ich musste raus, brauchte Hilfe!

Ich verließ meine Wohnung, sank im Hausflur auf die Stiege und japste, während sämtliche Systeme meines Körpers den Notstand ausriefen.

„Ganz ruhig. Einatmen, ausatmen.“

Eine junge Frau tauchte plötzlich in meinem Gesichtsfeld auf. Sie legte ihre Hände auf meine Knie und atmete mir vor.

„Schau mich an. Ganz ruhig. Ein.“ Sie zog übertrieben langsam und hörbar Luft mit ihrer Nase ein. „Und aus.“ Ganz langsam blies sie die Atemluft wieder aus, während ich weiter hyperventilierte. „Ein- und wieder aus.“ Sie sah mir tief in die Augen. Ihre weichen, rundlichen Gesichtszüge und die kastanienbraunen Augen erinnerten mich an meine gute Freundin Anna. In ihnen lag etwas Vertrautes, das mich beruhigte.

„Du machst doch Yoga. Ich hab das Buch gesehen, dass du gerade liest. So you know the drill. Mach’s einfach wie beim Yoga, tief in den Bauch atmen.“

Ich sehnte mich nach Anna. Nach meinen Freunden. Vor knapp einem Jahr hatte der Unfall unseren gesamten Freundeskreis gesprengt. Ich dachte immer dramatische Erlebnisse bringen Menschen näher zueinander, das Gegenteil war der Fall. Ihre Anwesenheit betonte Max Abwesenheit umso mehr. Irgendwann verwandelten sich selbst die Liebsten in das rote Tuch, das vor meinen traurigen Stieraugen hin- und herschwang. Trauer presste sich zu Wut zusammen, ich stieß Sätze zielgerichtet in Herzen, unmöglich sie je wieder zurückzunehmen. Welche Zukunft haben Freundschaften deren Vergangenheit sie so runterzieht? Anna war geblieben, aber sie war auch schon vor der Beziehung mit Max eine Freundin.

„Es ist, als wäre ich beim Start eines Flugzeugs eingeschlafen und mitten im Sturzflug wieder aufgewacht“, sagte ich zu der Kastanienfrau.

„Du bist am Boden, alles gut.“
„Nichts ist gut! Fremde sind in meine Wohnung eingedrungen, lesen mein Tagebuch, verwenden mein Sexspielzeug, nehmen Drogen. In meinen vier Wänden! Ich esse nicht mal Zucker und das war ganz sicher kein Zucker, was sie da genommen haben!“

„Es könnte schlimmer sein. Wir sind schließlich keine Einbrecher. Warum ringst du so mit den Lebenden? Hat dir der Tod nichts beigebracht?“

„Das immer alle davon ausgehen. „Es hat auch etwas Positives“, „Du kannst daraus was lernen““, äffte ich andere nach. „Einen Scheiß! Der Tod klebt an Menschen wie der Gestank von Katzenpisse am besudelten Sofa und irgendwann landen wir alle auf dem Misthaufen.“

Ich erhob mich und klopfte an die Tür der Nachbarin gegenüber. Wir kannten uns nur vom Pakete annehmen, aber in so einem Notfall würde sie mir sicher helfen. Der alte Hausdrachen, der unter mir wohnte, hasste mich, weil ich ihre Bestie von Hund nicht ausstehen konnte. Selbst wenn ich direkt vor ihr in Ohnmacht fiele, würde sie keinen Notarzt für mich rufen. Außerdem war meine Angst davor, von ihrem Viech zerfleischt zu werden, größer als vor dieser Horde Feierwütiger.

Die Nachbarin reagierte auch nach mehrmaligem Klopfen und Anläuten nicht.

„Soll ich den Schlüssel von Tobi holen? Der passt sicher.“

„Nein, lieber nicht“, sagte ich und setzte sarkastisch hinzu: „Alles gut.“ Es reichte, wenn eine Privatsphäre verwüstet wurde und meine war – im Gegensatz zu ihrer – wenigstens kinderlos.

„Fuck it!“, sagte ich. „Ich brauch was zu trinken!“

Wir gingen zurück in meine Wohnung. Mit meinem Schlüssel versperrte ich die Tür, ging anschließend zum Fenster in der Küche und warf ihn in hohem Bogen die fünf Stockwerke in den Hof.

„Mixt mir jetzt endlich jemand einen Drink? Aber ohne Schlagobers und ohne Sirup!“

Die Kastanienfrau drückte mir eine Whiskeyflasche in die Hand aus der ich einen großen Schluck nahm. Das Zeug brannte in meinem Hals und meine Zweifel hinweg. „If you can’t beat them, join them”, war einer von Max Sprüchen, die er dauernd anbrachte.

„Der ist für dich, mein Schatz“, sagte ich und setzte die Flasche erneut an den Mund.

Sie nahmen mich in ihrer Runde auf, als hätte ich online den Generalschlüssel zu ihren Herzen bestellt. Ich fuhr den Computer hoch, um der goldfischlosen Frau das Auflegen mit Spotify zu erleichtern und die Musikauswahl zu vergrößern. Ich bewunderte ihren Enthusiasmus, den ich gemeinsam mit ihren Ideen gerne in einen Mixer geworfen hätte, um ihn als Smoothie zu trinken. Einige wären sicher als Brocken in meinem Hals steckengeblieben, wie schlecht pürierte Bananen, aber am Ende wäre ihre Lebenslust von Magensäure zersetzt in mein Blut übergegangen.

Die ägyptische Statue kam aus dem Schlafzimmer und trug eines von Max Lieblings-T-Shirts.

„Schaut mal Leute: „Kiss the anus of a black cat”. Saugeil!”
“Das ist eine belgische Band. Irgendwo im Kasten müsste noch eins sein. Das steht dir bestimmt auch“, sagte ich und prostete ihm zu. „Wird eh Zeit, dass ich die Sachen mal ausmiste.“

Lichter tanzten in meinen Augen und an den Wänden. Ich versank in Trunkenheit, schwappte wieder an die Oberfläche, schrieb E-Mails am Computer, rauschte mit dem Rauch und meinen Gedanken davon, bis ein schwarzes Loch meine Erinnerungen fraß und mich glücklich auf dem Boden ausspuckte.

 

Der Schlüsseldienst mag den Generalschlüssel verwenden, die WEGA hingegen riss die gesamte Tür nieder. Der Lärm schreckte alle aus dem Schlaf oder dem jeweiligen Deliriumszustand. In voller Kampfmontur und mit gezogenen Waffen stürmten sie meine Wohnung, worauf ich mit lautem Schreien reagierte. „Hilfe, sie halten mich gegen meinen Willen hier fest! Helfen Sie mir!“

Einer der Vermummten zog mich sofort zur Seite. „Sind Sie Susanna Pospischil?“
„Ja, bitte helfen Sie mir! Sie haben mein Handy und meinen Schlüssel weggenommen und aus dem Fenster geworfen.“
Offenbar war das verschwommene Bild in meinem Hinterkopf, wie ich Anna in einer E-Mail von dem Vorfall hier berichtete, kein Traum, sondern eine Erinnerung.

„Scheiße, du warst doch mittendrin!“, sagte der Wikinger, während ihm ein Mann die Hände auf dem Rücken verdrehte.

„Das kann gar nicht sein! Ich hasse Privatpartys!“